Partieller RealitätsverlustMichael Riepe |
Kaum waren die Marketing-Fanfaren der traditionsreichen Firma A. aus C. verstummt, begann das Netzvolk aufzubegehren. Benchmark-Ergebnisse seien geschönt und Konkurrenten mit unfairen Mitteln behindert worden, der Lorbeer zu Unrecht vergeben.
Derart skandalöse Praktiken sind weder unüblich noch selten, und die Übeltäter verteilen sich über die gesamte Branche. Wer sich die Website der SPEC (www.spec.org) näher ansieht, wird feststellen, dass etwa Benchmark-Ergebnisse Intel-kompatibler CPUs überwiegend mit Intels Compilern unter Windows gemessen wurden - weil sich mit dieser Kombination die besten Resultate erzielen lassen. Außerdem kommt fast immer eine zusätzliche Bibliothek zum Einsatz, die die Speicherverwaltungsroutinen durch schnellere ersetzt - genau wie bei Veritests Messungen an Apples Power Mac G5.
Dass die Tester auf allen Systemen die gleichen Compiler eingesetzt haben, halte ich für durchaus fair. Nicht der gcc verzerrt den Wettbewerb, sondern hochgezüchtete Compiler wie die von Intel, die mehr oder weniger nur existieren, damit die hauseigenen CPUs in Benchmarks gut abschneiden. Mit der Realität haben die Resultate jedoch nicht mehr viel zu tun.
Leider gilt dasselbe für die technischen Daten, die die Hersteller veröffentlichen. Sie ähneln oft dem Bruttogehalt: Am Ende bleibt weniger übrig, als man denkt. Zum Beispiel proklamiert Apple, der Frontside-Bus des G5 könne 8 Milliarden Bytes in der Sekunde übertragen. An anderer Stelle findet sich der Hinweis, dass der Bus zweigeteilt ist und jede Hälfte Daten nur in einer Richtung befördert. Folglich kann die CPU - optimale Bedingungen vorausgesetzt - nur mit 4 GBps lesen oder schreiben. Finden Sie mal eine Anwendung, die beides gleichzeitig tut.
Seltsam mutet auch Apples Darstellung der Vorzüge eines 64-Bit-Systems an. Es ist zwar richtig, dass man mit 64 Bit größere Zahlen darstellen kann als mit 32; der Zeitaufwand für Rechenoperationen wie Addition oder Multiplikation wächst jedoch mit der Wortlänge. Außerdem muss die CPU mehr Daten in und aus dem Speicher bewegen. Von einem exponentiellen Sprung der Rechenleistung kann keine Rede sein - es sei denn, es wäre ein Sprung nach unten gemeint.
Selbst der vermeintlich riesige Adressraum von 18 Exabyte (eine Zahl mit 18 Nullen) schrumpft nach und nach zusammen: Die 42 Adressleitungen des G5 begrenzen den Speicher auf 4 TByte, die verfügbaren RAM-Steckplätze auf 8 GByte. Den Schlusspunkt setzt Mac OS X: Jedem Prozess stehen in der aktuellen Version maximal 4 GByte zur Verfügung. Künftige Releases dürften etwas großzügiger sein, im Moment jedoch verschenkt das Betriebssystem den einzigen echten Vorteil, den ein 64-Bit-System zu bieten hat.
Doch nicht Apple allein soll hier am Pranger stehen. Andere Firmen beherrschen PR-Getrommel und kreative Zahlenmagie ebenso gut, vielleicht gehen sie dabei etwas geschickter vor. Andererseits hat all die Aufregung auch ihre guten Seiten: Man ist im Gespräch. Bessere Werbung kann man sich kaum wünschen.